Ehegatte hat trotz möglichem Verschulden in anhängigem Scheidungsverfahren bei Tod des Erblassers das Recht, eine Inventarisierung zu beantragen
Nach der noch gültigen Gesetzeslage kann ein Ehegatte für den Fall, dass der andere Ehegatte während des anhängigen Scheidungsverfahrens starb, von seiner Stellung als Erbe und Pflichtteilsberechtigter ausgeschlossen werden. Das ist dann der Fall, wenn das Scheidungsverfahren das Verschulden des überlebenden Ehegatten an der Scheidung ergeben hätte.
Der Oberste Gerichtshof hatte sich nun in seiner Entscheidung vom 19.11.2015 zu Geschäftszahl 2 Ob 178/15p mit der Frage zu beschäftigen, ob ein mögliches Verschulden an einem aufgrund des Todes des Ehegatten nicht beendeten Scheidungsverfahrens auch dazu führen kann, dass dem überlebenden Ehegatten kein Recht darauf zusteht, im Verlassenschaftsverfahren die Errichtung eines Inventars zu begehren. Die Inventarisierung der Erbschaft führt zu einer genauen Erfassung des vorhandenen Vermögens und hat dadurch in erster Linie Beweissicherungsfunktion. Sie spielt aber auch eine Rolle bei einer möglichen Begrenzung der Haftung der Erben für Schulden des Erblassers.
Das Recht auf Inventarisierung steht demjenigen zu, der beim Tod des Erblassers konkret pflichtteilsberechtigt ist, ohne dass es darauf ankommt, ob und in welchem Ausmaß das Pflichtteilsrecht tatsächlich zusteht. Die konkrete Stellung des Ehegatten als pflichtteilsberechtigt geht aber durch das anhängige Scheidungsverfahren nicht verloren, selbst wenn sein Verschulden im Raum steht. Die Frage der tatsächlichen Berechtigung trotz eines möglichen Verschuldensausspruches in dem nicht zu Ende geführten Scheidungsverfahren soll nicht im Verfahren über die Errichtung eines Inventars geklärt werden. Dies ist einem eigenen Verfahren bei widerstreitenden Erbantrittserklärungen vorbehalten. Der Oberste Gerichtshof entschied daher, dass dem Ehegatten des Erblassers auch bei Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens zum Zeitpunkt des Todes, bei dem das Verschulden des Überlebenden im Raum steht, ein Recht zur Beantragung eines Inventars zukommt. Eine Ausnahme könnte nur dann greifen, wenn dies aufgrund eines unstrittigen Sachverhalts geradezu rechtsmissbräuchlich wäre.
Damit wird ein Gleichklang mit den Fall der Enterbung hergestellt, deren Berechtigung ebenfalls erst geprüft werden muss. Lediglich eine zweifelsfreier Verzicht auf den Pflichtteil führt sofort zum Wegfall des Rechtes, eine Inventarisierung beantragen zu können.
Ab 1.1.2017 ändert sich die Gesetzeslage, sodass die gegenständliche Frage an Relevanz verlieren dürfte. Ein beim Tode des Erblassers anhängiges Scheidungsverfahren kann auch bei Verschulden des überlebenden Ehegatten kein Grund für den Wegfall des Erbrechts mehr sein, es sei denn es wurde bereits eine Vereinbarung über die Aufteilung des ehelichen Vermögens für den Fall der Scheidung getroffen.