Neues zur Haftung für unternehmerische Ermessensentscheidungen

Bei der Fällung unternehmerischer Entscheidungen besteht grundsätzlich immer ein gewisses Risikopotential. Die aus den Entscheidungen resultierenden Folgen und Ereignisse sind in vielen Fällen unvorhersehbar oder zumindest unsicher. Es besteht daher im Vorhinein oft nicht nur eine zwingend richtige Handlungsalternative. Stattdessen sieht man sich manchmal mit mehreren, teilweise sogar gegenteiligen Möglichkeiten konfrontiert, die ohne Kenntnis der zukünftigen Ereignisse beinahe gleichwertig erscheinen können. Man muss einem Organ daher ein gewisses Ermessen bei der Fällung der unternehmerischen Entscheidungen einräumen, solange sich dieses innerhalb der geltenden Gesetze und Verordnungen sowie bestehender vertraglicher Verpflichtungen (z.B. Gesellschaftsvertrag, Dienstvertrag, etc) bewegt.

Es wäre nämlich unzweckmäßig den handelnden Organen einer Kapitalgesellschaft eine Erfolgshaftung für unternehmerische Ermessensentscheidungen aufzubürden. Dies würde zum einen zu einer Überwälzung des Unternehmensrisikos auf das Organ führen, ohne das ein Organ zwingend wirtschaftlich Begünstigter der unternehmerischen Tätigkeit sein müsste. Zum anderen würde dadurch wohl die oft notwendige Risikobereitschaft bei unternehmerischen Ermessensentscheidungen zwecks Haftungsminimierung stark eingeschränkt werden. Daher erkannte der Oberste Gerichtshof schon bisher Organmitgliedern einen weiten Ermessensspielraum zu.

In seiner Entscheidung vom 23.02.2016 zu Geschäftszahl 6 Ob 160/15w konkretisierte der Oberste Gerichtshof nun diesen Ermessensspielraum und beschäftigte sich mit der Maßgeblichkeit der aus dem anglo- amerikanischen Raum stammenden "Business Judgement Rule" im österreichischen Recht. Er kam zu dem Ergebnis, dass seit der Einführung der §§ 84 Abs 1a AktG und 25 Abs 1a GmbHG durch das Bundesgesetzblatt 2015/112 die Grundsätze der “Business Judgement Rule” auch in Österreich gesetzlich verankert sind und diese nunmehr auf die Organe von Kapitalgesellschaften, aber auch auf Organe von Privatstiftungen Anwendung finden. Es bleibt abzuwarten, ob ihr Anwendungsbereich auf andere juristische Personen ausgedehnt wird. Die Begründung des Obersten Gerichtshofes lässt dies vermuten.

Die “Business Judgement Rule” besagt nun, dass ein Organ nicht für Schäden aus unternehmerischen Ermessensentscheidungen haftet, wenn folgende Vorraussetzungen gegeben sind:

a.) Das Organ darf sich nicht von sachfremden Interessen leiten lassen.

b.) Die Entscheidung muss auf Grundlage angemessener Informationen getroffen werden.

c.) Die Entscheidung muss ex ante (daher zum Zeitpunkt der Entscheidung) betrachtet offenkundig dem Wohl der juristischen Person dienen.

d.) Der Geschäftsführer muss vernünftigerweise annehmen dürfen, dass er zum Wohl der juristischen Person handelt. Dieser Punkt wird auch dahingehend beschrieben, dass das Organ hinsichtlich der Puntke a.) - c.) gutgläubig sein muss.

Hingegen ist keine Haftungsbefreiung gegeben, wenn die fragliche Entscheidung eine Kompetenzüberschreitung des Organes oder ein Insichgeschäft, also ein Geschäft des Organes mit der vertretenen juristischen Person, darstellt.

Es bleibt nun abzuwarten, wie die Rechtssprechung diese Grundsätze in der Praxis weiter konkretisiert.

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